the sacrifice of hiding in a lie


achtung trigger!!!!!!!!

The Sacrifice of hiding in a lie
Gewidmet denen, die noch die Kraft haben, zu träumen. Möge der Wunsch in euch nie aufhören zu keimen

Ich schalte den Computer aus und mache mich auf den Weg zu dir. Du bist jetzt schon so lange gefangen und es ist närrisch, dich daran hindern zu wollen, frei zu sein.
Es regnet und ich gehe langsam in das alte Viertel: Die Luft riecht nach Regen und Dampfwolken hängen über dem Viertel. An einem Zigarettenautomat lasse ich meine Wut und den aufgestauten Hass freien Lauf. Nacht mehreren heftigen Tritten, knickt die eingebeulte Front ein und Zigarettenpakete fallen heraus .Ich trete jedoch weiter auf den Automaten ein, bis ich keuche und mein Atem in der kalten Luft kondensiert. Wie kannst du nur so egoistisch sein, verdammt!!! Ich hebe zwei Packungen von Boden auf und gehe weiter, meine Stiefel sind mittlerweile durchweicht und auch mein Innerstes ist dunkel und trist, so wie die Gegend, in der alles von einem verwaschenen grau bedeckt scheint, in der alles voller Risse, Löcher und Glassplitter ist, die Hochhäuser, die leer stehenden Fabrikhallen, die Plakate und Werbeschilder, die von Dreck, Moder, dunklem, feuchten Rost überzogen sind und dessen verblichene Farben längst abblätterten.
Endlich bin ich da.

Ich bin oft hier, aber nie zweimal am selben Ort. Neben dem grauen Hochhaus brennen Mülltonnen. Um sie stehen Obdachlose und wärmen sich am Feuer, unbeeinflusst der giftigen Dämpfe, die dem schwelenden Müll entsteigen. Niemand kümmert sich darum. Sie schauen mich kurz an, während ich die Eingangstreppe hinaufsteige und ich sehe den Verfall in ihren faltigen Gesichtern und ihre grauen, wässrigen Augen zeugen vom harten Leben, dass sie hinter sich haben. Ich öffne die Tür und finde meinen Weg ins 9. Stockwerk. Der Boden ist verdreckt, das verwaschene grün des billigen PVC ‘s ziert Unrat, verschmierter Schlamm, Steine und Löcher. In den Ecken stinkt es nach Fäkalien. Die Fenster sind ungeputzt, von einem grauen, schmierigen Schmutzschleier bedeckt, die Wände haben Risse und irgendwo tropft ein Wasserhahn.
Ich öffne deine Tür vorsichtig und schließe sie leise. Dein, früher wahrscheinlich tiefroter Teppich ist ausgeblichen und abgewetzt. Ich finde dich auf einem alten, eisernen Bett in ein weißes Laken gehüllt. Du wartest nur auf mich. Das Blut übersehe ich.
Absichtlich.
Es war ein Fehler, würde ich vielleicht später sagen, wenn es ein Später geben würde. Aber es zählt das Jetzt, denn ein Morgen wird es nie geben.
Ich setze mich neben dich, umarme dich und halte dich fest. Doch deine Augen verraten keine Regung. Du beginnst zu zittern. Was taten sie dir nur an? Ich werde es nie erfahren. Ich weiß, wir haben nur uns, aber kann daraus nicht auch Leben entstehen?? Bitte hör auf so zu reden, das macht doch keinen Sinn!! Bitte, bitte hör auf! Ich halte mir die Ohren zu, denn das, was du sagst, kenne ich von mir. Ich kenne dein Innerstes. Mit leerer Stimme rezitierst du eines meiner unzähligen Gedichte:
Klingen öffnen Haut,
Tränen treten aus,
Haut verfärbt sich rot,
Seele wird schwarz,
Flügel verfaulen,
Gaben verkommen,
Leben stirbt,
Engel fallen,
und niemand reagiert.
Aber ich reagiere doch!!?, Ich schreie fast, bin verzweifelt, weiß um deinen Schmerz. Um dich vom reden abzuhalten, küsse ich dich.
Ich bin die Einzige, der du nie versucht hast, die Zunge abzubeißen. Die Anderen, die dich liebten, können nicht mehr sprechen. Das Grauen ist in dir. Deshalb fürchtest du dich auch so vor dir selbst, weil du die bist, die dir am meisten schadet. Ich bin die Einzige, die geblieben ist. Und ich werde dich auch niemals alleine lassen, egal was jemals geschehen wird. Dieser Satz mag bei anderen eine leere Phrase sein, doch ich binde meine Seele daran. Auch wenn dieser Satz meinen Tod bedeutet werde ich dir folgen, denn ich liebe dich und diese Liebe ist stärker als mein Selbst.
Noch ein letztes Mal nehme ich mir deinen Körper und gebe dir meinen. Auch wenn diese Zeit begrenzt ist so genieße ich sie, im Gewissen, etwas einzigartiges zu erleben und dir auch etwas von dieser Einzigartigkeit zu schenken. Du nimmst sie das aller erste Mal an. Du zerkratzt mir meinen Rücken und ich genieße den Schmerz, denn ich verwehre ihn mir selbst und er kommt von dir. Ich bin sanft, denn ich habe Angst, dich zu zerbrechen,
wie eine Puppe aus Glas,
die mit jeder Berührung
mehr Risse und Sprünge bekommt.
Zu viele sind tödlich,
obwohl gerade Zärtlichkeit das ist,
nachdem du dich am meisten sehnst.
Ich seufze und halte dich so fest wie ich kann. Du hast Angst. Ich auch.

Ich blicke hinauf zur Decke. Die Wasserflecken sind scheinbar schon seit einer Ewigkeit dort. Normalität,aber was ist schon normal? Ich lache bitter. Wir bestimmt nicht! Du blickst zu mir hoch und ich muss den Drang, dich anzuschreien heftig unterdrücken. Auch Tränen will ich mir verbieten, aber so richtig gelingt mir das nicht. Meine Sicht verschwimmt.
Es ist einfach traurig. Es wäre so viel machbar. Wir könnten so viel schaffen, könnten gemeinsam aufbegehren. Jede Regel könnten wir überwinden, aber nicht diese Leere in uns. Wir wollten sie mit uns füllen und mit fleischlichen Lüsten. Haben uns unabhängig von- einander immer neue Partner gesucht, für eine, oder zwei Nächte, danach den nächsten, den nächsten, den nächsten… Aber genützt hat es nicht viel. Es kam nicht gegen die Angst an.
Du küsst mich und gehst zum Schrank, dem einzigen Möbelstück in diesem Zimmer, außer dem Bett. Er hat Risse und ist aufgequollen und der Lack blättert auch schon ab. Es hängen nur weiße, weite Sachen darin (weiß, wie deine Seele??). Entgegen meines Geschmacks gefallen sie mir, – wenn du sie trägst.
Du entkleidest dich vollständig und ich sehe dich das allererste mal so. Es lässt mich zittern. Dein Körper… Er ist Horror und Kunstwerk zugleich. Tausende und Abertausende Narben bedecken ihn, nur Füße, Hände und Gesicht sind frei von ihnen. Ich habe es gewusst, aber nicht in diesem Ausmaß!!! Trotzdem ist es… Wunderschön! Wenn ein anderer Mensch dich genauso aufgeschlitzt hätte, hätte ich ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, umgebracht. Aber ich kann dich doch nicht vor dir selbst schützen!
Wie können Ekel und Faszination nur so nah beieinander liegen?, frage ich mich. Du ziehst ein weites, schulterfreies Oberteil mit langen Ärmeln an und dazu eine einfache weite Leinenhose und Slipper. Du schminkst dich, zum allerersten Mal nicht für mich. Doch ich bin nicht böse. Ein Hauch von Blau umgibt deine Augen und deine Lippen schimmern zart rosa. Nun bist du bereit und ich darf jetzt nur noch deine, in weißen, filigranen Netzhandschuhe steckenden Hände berühren. Du schlingst einen Seidenschal um deinen Hals in den du, zynisch wie immer, wenn es dir gut ging Please cut here eintätowieren lassen hast. Den Schal hatte ich dir zu deinem Geburtstag geschenkt und es war das erste Mal, dass du etwas zum Geburtstag geschenkt bekamst. Du warst dankbar und es war das erste und einzige Mal, dass ich ?Danke? aus deinem Mund hörte. Seltsam, dass mir wegen solchen Banalitäten die Tränen kommen. Aber das kann niemand nachvollziehen und das soll auch niemand nachvollziehen können.
Auf dem Weg zum Wald kaufe ich dir drei Rosen. Weil du sie willst. Deine erste Bitte an mich. Nach einer Stunde betreten wir den Wald, die Zeit bis hier kam mir wie wenige Sekunden vor. Wir sind angekommen und stehen vor einer tiefen, großen bewaldeten Schlucht. Es riecht nach Moos. Du lächelst. Ich weine schon wieder. Es ist so schön hier. Dies ist dein Ort und ich bin die Erste, die ihn als diesen wahrnehmen darf. Ich muss lächeln. Du hast nichts zu verlieren, gar nichts. Nur ich habe viel zu verlieren. Uns, dich, unsere Welt. Du küsst mich, ohne mich zu berühren und… du wirst sterben. Du springst in die Leere. Ich wusste es die gesamte Zeit, ohne es wahr haben zu wollen.
Du bist doch mein Engel, also, bitte öffne deine Flügel und fliege. Bitte, bitte BITTE!!!

Aber es ist nur ein Wunsch und nicht möglich. Es war nie möglich. Und ich wusste es. Ich sehe, wie dein Körper aufprallt und sich deine weiße Kleidung rot färbt.
Ich bin wie erstarrt. Ich merke, dass mir etwas warmes aus der Hand quillt und merke, dass ich die Rosen noch in der Hand halte und ich mir ihre Dornen ins Fleisch bohre. Nacheinander nehme ich sie, küsse sie und werfe sie zu dir hinab. Du wolltest sie als Grabschmuck. Ein bitteres, trockenes Lächeln ziert meine spröden Lippen..

Zukunft gibt es nicht.
Ich möchte gehen, weg von dir, weg von hier. Doch ich kann nicht. Auch meine Welt hat keine Zukunft mehr.
Und ich gab dir heute mein Versprechen, dich niemals alleine zu lassen.
Nun habe auch ich nichts mehr zu verlieren. Also drehe ich mich um und springe. Das war unser Opfer, uns hinter dieser Lüge zu verstecken. Es wurde nicht besser, egal wie lange wie gewartet haben.

Von Eden