Ein Kristall


Stelle dir einen dunklen Raum vor. Einen auf den ersten Blick dunklen Raum, der neben deinem Atmen nur von einem leisen Klirren erfüllt ist. Mit jedem einzelnen Atemzug tritt ein wenig mehr ein sanftes Glitzern zu Tage, das aus der Mitte des Raumes zu kommen scheint. Frag nicht woher du weißt, dass dort die Mitte liegt. Du weißt es – und selbst wenn nicht, ist es ohne Bedeutung.
Um Farben zu sehen müsste mehr Licht da sein. Aber hier ist nur das Licht, das aus deinen Augen kommt. Mal heller, mal dunkler, je nachdem, wie genau du hinzusehen in der Lage bist und hinsehen willst. Und natürlich je nachdem, wo du hinsiehst.
Das Licht bricht sich in einem Kristall. Er sieht … ziemlich unordentlich aus. Unregelmäßig. Noch immer wachsend, sich verändernd, ohne seine Vergangenheit zu verlieren. Hier Zapfen aus regelmäßig gewachsenen Strukturen, dort ein Gewirr aus verwinkelten, verkümmerten oder gar abgestorbenem Geäst. Manche Stellen recken sich willig dem Licht entgegen, nicht viele. Andere scheinen das Licht aufzusaugen, versuchen sich angstvoll und schamerfüllt zu verstecken.
Ein Lachen der Erinnerung hallt ungewollt in dir nach, während dein Blick über einen strahlenden Moment gleitet.
Das leise Klirren, dessen fast ätherischer Klang den Raum erfüllt, nimmt einen schmerzhaften Klang an, als du dich den dunklen Stellen zuwendest. Tief versinkt dein Blick in dieser Qual. Für eine Weile umgibt dich nur Dunkelheit, dein Sein schwingt in Resonanz mit deinem Schmerz.
Unerwartet, ungerufen, unglaublich blitzt ein wild strahlender Funke in der Tiefe des Kristalls auf, bis für einen kurzen nicht endenden Moment die Freude des lebendigen Erkennens alles andere überstrahlt.

Erfüllt wendet sich dein Blick nach außen, wiedererkennend. Lebendig.

Von Stargazer