Auge und Klaue (Warhammer Fantasy; 18+)


1. Prolog: Friedliche Zeiten

In der seichten Abendluft lag der schwere Geruch der verblühenden Sommerblüten und feuchter Nebel begann sich über den Boden zu winden um das seichte Gras zu umgarnen.

„Steffan! Komm schon! Das Essen wird kalt! Oder willst du dass die Monster dich holen?“ Die Stimme seiner Mutter hallte über das Feld, sie klang nicht zornig, vielmehr belustigt über ihren streunenden Sohn, als der Junge über einen der letzten Zäune kletterte.

Der kleine Hof der Familie befand sich in den äußeren Gebieten einer recht gewöhnlichen Stadt des Imperiums. Altdorf war weit weg, aber auch Krieg und Intrigen, von denen der Junge nichts wusste. Alles in allem war es ein ruhiges Leben und auch wenn sie nie wirklich reich sein und im Überfluss leben würden, so hatten sie doch stets genügend zu Essen. Allein darauf kam es an.

Er beeilte sich, aber natürlich nicht aus Angst vor irgendwelchen Monstern. Er war schließlich bereits elf Jahre alt und fast ein Mann. Darum hatte er nie Angst. Vor allem nicht vor Monstern.
Nicht so wie seine kleine Schwester Evelyne. Sie hatte immer Angst aber schließlich war sie ja auch ein Mädchen und zwei Jahre jünger als er.

Oft wenn er mit seinen Freunden unterwegs war, spielten sie „Hexenjäger und Mutant“. Steffan war ein guter Hexenjäger und hat die anderen, die natürlich die Mutanten spielten, schnell eingefangen und auf den „Scheiterhaufen“ gestellt. Ja, Steffan würde eines Tages ein großer Held des Imperiums werden.

In seinen Gedanken versunken lief Steffan das Feld entlang auf sein Elternhaus zu. Mittlerweile war das Dämmerlicht der Dunkelheit gewichen und ein warmes Licht empfing ihn.
Seine Mutter stand draußen vor dem Haus und winkte ihm entgegen.

Doch etwas war nicht so wie es sein sollte und Steffans Verstand realisierte es nur quälend langsam, wehrte sich gar gegen die neue Erkenntnis. Seiner Mutter standen glitzernde Tränen in den Augen und Flüsse zogen sich ihre Wangen hinab
Erst ein Schrei riss den Jungen endlich aus seinen Gedanken und lüftete den Schleier. „Steffan! Lauf weg!“

Über dem Haus tanzten, Leuchtkäfern gleich, Funken in schwarzem Rauch, der von den Flammen ausging, die begannen das Haus zu verzehren.
Das Licht warf verzerrte Schatten als eine groteske Klinge aus Knochen und Fleisch aus dem Brustkorb der älteren Frau drang und einen Nebel aus Blut in die Luft trieb. Nicht einen Augenschlag später hatte der riesige Mann, aus dessen Arm diese grauenerregende Waffe wuchs, die Frau gepackt und fortgeworfen wie eine Lumpenpuppe.

Der Rauch brannte in seinen Augen doch war Steffan nicht in der Lage seinen Blick ab zu wenden oder sich gar zu bewegen. Angst lies den jungen Körper erstarren.
Hilflos sah er dabei zu wie der verdrehte Leib seines Vaters von zwei Tiermenschen aus dem Haus gezerrt wurde und ein weiterer hatte den schlaffen Körper Evelynes in ihrem zerrissenem Nachthemd über der Schulter.

Schlanke Finger legten sich von hinten auf seine Schultern und Steffan wurde in jenem Moment bewusst dass er noch immer Angst vor Monstern hatte.

2. Unter dem Banner der Blutfedern

Auf einem einfachen Lehnenstuhl, scheinbar aus bleichen Knochen bestehend, saß der junge Mann schweigend.
Sein langes, bläulich-schwarzes Haar ruhte auf seinen Schultern und schimmerte in dem unbeständigen Licht der in dem Zelt verteilten Feuerschalen. Die Haut war ungesund bleich, fast schon durchsichtig.
Seine schlanken Finger mit ihren krallenartigen Fingernägeln, fast wie die eines Raubvogels, bewegten sich gleichmäßig nacheinander in einer, sich stets wiederholenden, Welle und verursachten bei jedem auftreffen auf der Tischplatte ein klackendes Geräusch. Neben einem leisen Wimmern war dies das einzige Geräusch dass das Zelt erfüllte. Die Geräusche der Außenwelt, die Schreie, das kehlige Grölen und ein düsterer Singsang, wurden durch den dicken Zeltstoff und den Segen des Chaos kaum hörbar.

Die Tiermenschen, sie hatten in faszinierender Eigendynamik eine Sprache entwickelt, nannten ihn Arkeph. Es schien in ihrer Sprache die Zeit zwischen Tag und Nacht zu umschreiben, das Zwielicht. Der junge Mann konnte nicht sagen, dass ihm dieser Name nicht gefiel, jedenfalls war er besser als der den er vorher trug. Verhasstes Überbleibsel seiner Vergangenheit.

Mit der Zeit war dieses Zelt für ihn eine Heimstadt geworden in der er sich zurückziehen konnte um nach zu denken wenn er nicht gerade dem Heerführer als Berater zur Seite stand. Es war nicht so dass er unzufrieden mit seiner Aufgabe war. Schließlich hat der Herrscher des Wandels selbst ihn dazu auserkoren. Jedoch war es ihm unangenehm andere in seiner Nähe zu wissen.
Sich unangenehm zu fühlen war nun jemand anderem beschert. Graue Augen starrten gnadenlos in eine der Ecken des Zeltes. Aus dieser kam das gelegentliche Wimmern, oft dann wenn die Augen sich einen Moment schlossen, nur um noch bohrender in das Wesen dort zu blicken.

Nur einen winzigen Moment, bevor die schweren Vorhänge des Eingangs bei Seite gestoßen wurden, ruckte der Blick zum eben jenen.
Der Eingang wurde durch die massive Gestalt eines Mannes ausgefüllt.

„Auge, wir müssen Reden!“ Die Worte des Mannes waren knapp und seine Stimme gab dem Zuhörer das Gefühl, sich raues Eisen über die Zähne zu ziehen.

Wotgar, so nannte man ihn. Er setzte sich dem jungen Mann gegenüber. Vielleicht hätte man ihn auf ein ähnliches Alter geschätzt, wenn man unter den alten Wunden und Narben, teils vom Kampfe teils rituellem Ursprungs, ein Alter schätzen könnte.
Wohlwollend hätte man ihn abstoßend nennen können. Sein kahler Kopf war übersäht von rituellen Narben und Zeichnungen unter der Haut von schwarzer Tinte. Er trug lediglich eine weite, lederne Hose und sein massiver Oberkörper war frei, jedoch von Schmutz bedeckt. Der Barbar verströmte den dumpfen Geruch eines Tieres. Narben bedeckten auch seinen Körper, hier und da war die Haut heller, als hätte etwas bis auf das Fleisch jegliche Haut verbrannt oder als wäre nur dünne und durchsichtige haut über einer Wunde gebildet worden, durch die Adern pulsierten und Muskeln sich bewegten.
Am verstörendsten jedoch war der linken Arm von Wotgar. Es schien als würde er nicht zum Rest des Körpers passen. Ein kränkliches braunes gelb überzog die Haut und dort wo er an die Schulter ansetzte befand sich eine pulsierende, wulstige Narbe, fast so als hätte man ihm diesen muskulösen Brocken Fleisch lediglich an den Körper genäht.
Alles in allem war Wotgar ein Mann, der selbst schwerlich eine Frau hätte kaufen können.

Da der Barbar ihm den Blick auf das eigentliche Objekt seines Interesses versperrte musste Arkeph wohl oder übel seine Aufmerksamkeit auf ihn lenken.

„Müssen wir das? Was ist derart wichtig, dass des nach mir verlangt?“ Seidengleich klang seine Stimme verglichen zu dem Ton des vernarbten Kriegers. Sein Ton war tief und es bedurfte kaum mehr als einem Flüstern, jedes der Worte war offensichtlich mit höchster Bedacht gewählt.

Ein Brummen entschlich der Kehle des Barbaren. „Yej, der Heerführer verlangt nach dir. Etwas scheint ihn zu beunruhigen. Und… nun, ein Teil des Heeres beginnt zu flüstern. Es gehen Gerüchte um und das Herumschleichen in abgelegenen Gebieten und Überfallen von,“ Seine dunklen Augen unter den buschigen Brauen fixierten die kauernde Gestalt in der Ecke des Zeltes, „unwichtigen Bauernhäusern lässt die Moral sinken.“

„Ist dem so?“ Arkephs Lächeln war wie Eis. „Nun, ich denke dass Du genau weist wie mit Aufrührern zu verfahren ist, Klaue.“ Sein Arm streckte sich und die Kralle seines Zeigefingers strich fast zärtlich entlang der Narbe auf Wotgars linker Schulter. „Kümmere Dich um sie, ich werde mit Hanner sprechen. Unser Herr darf nicht enttäuscht werden, denkst Du nicht auch?“

Auge und Klaue, dies waren die Spitznamen, die sie sich gegenseitig gaben. Denn wo der eine das Auge des Herren des Wandels war, entsprach der andere der grausamen und tödlichen Klaue des Dämonenprinzen.

„Lass mir ein Wenig Zeit, ich habe noch etwas zu erledigen, alter Gefährte.“ Arkeph sprach mit einem Lächeln auf dem Gesicht und deutete auf die dunkle Ecke in der noch immer eine Gestalt kauerte.

Wotgar schien nicht angetan und das war er auch nicht, nickte jedoch. „Aber Eile, ich werde mich um die Gerüchtemacher kümmern.“
Mit diesen Worten verließ der massige Mann das Zelt. Und als er die Felle hinter sich zufallen lies, erhob sich auch der junge Zeolot.
Seine Schritte führten zu einem Kerzenständer, den er in die dunkle Ecke zu schleppen begann.

Das dumpfe Licht fiel auf ein ungewaschenes Mädchen in einem zerrissenen Nachthemd. Fast sanft legte er seine Hand unter ihr Kinn und zwang ihre Augen in die seinen zu blicken. Mit der freien Hand, in der er ein Tuch hielt begann er ihre Tränen aus dem Gesicht zu tupfen.

„In den Jahren bist Du zu mehr geworden als ich gehofft hatte. „ Seine Hand glitt fast liebevoll über ihre Wange.
Mit dem Daumen strich er zärtlich über ihre linke Augenbraue. „Du hast so wunderbare Augen.“

* * *

Wotgar war kaum zehn Schritte entfernt als er den Schrei vernahm. Es war der Schrei des Kindes, das wusste er.
Er blieb stehen und genoss den Klang. Für gekünstelte Musik hatte er nie etwas übrig, doch genoss er diese Sinfonie des Leids, bis die Schreie zu einem Wimmern wichen und dieses dann verstummte.

Er hatte eine Aufgabe. Der Herrscher des Wandels würde kein Versagen dulden.

3. Der Hexenjäger

Die Sonne hob sich schwerfällig über den Horizont und tauchte die Felder in sanftes Gold.
Rings herum um den Hof erwachte die Natur zum Leben, nur dort selbst war der Tod.

Das abgebrannte Haus, die vernichteten Felder. Es schien wie ein Schandfleck in diesem seichten Gebiet.

In Mitten der Asche stand er, Falk vom Silberfluss, seines Zeichens Hexenjäger. Bereits vor seinem Tot war er eine Legende. Er zählte sicher mindestens vierzig Jahreswechsel doch war er noch immer vital wie ein junger Bursche.

Mit seinem Dolch stöberte er in der Asche.
„Sir, es müssen Grünhäute gewesen sein!“ Der junge Soldat hielt zwar angemessenen Abstand, jedoch war er störend.
„Und warum glaubt Ihr dies zu wissen?“ Die Stimme des Hexenjägers war seicht, jedoch verriet der Unterton eine gewisse Gereiztheit.

Der junge Ritter begann zu stottern. „Nu… Nun… Die Körper, s sie… Sind verstümmelt… Angenagt.“

Falk achtete nicht auf das Geplapper des Mannes. Er zog mit der Spitze seines Dolches etwas aus der Asche.
Es war ein Anhänger in der Form eines Greifvogels, ähnlich seinem eigenen. Sein Atem stockte kurz. Langsam, kopfschüttelnd, verdrängte er diese Tatsache, denn er durfte sich nicht beirren lassen.
Gequält wand er sich um. „Grünhäute… Wir sollten die Späher verstärken!“ Doch er wusste dass keine Wachen hier nötig waren. Das Chaos nahm sich bereits was es brauchte. Doch die Menschen hier würden sich besser fühlen; war dies denn nicht wichtiger?

„Lasst uns hinausgehen, ich will zu den Menschen sprechen.“

4. Konflikte im Inneren

Grunzend stieß Wotgar einen der Tiermenschen aus dem Weg, winselnd verkroch sich die Kreatur, – der Körper einer bezaubernden jungen Frau und den Kopf einer Ziege – in eine dunkle Ecke des Lagers.
Er spürte, wie sein Blut zu kochen begann. Unbewusst kratzte er an der wulstigen Narbe, die seine Linke Schulter zierte und knurrte. Es begann in seinem Kopf zu kribbeln und ein Pfeifen klang lauter und lauter in seinen, wulstigen, Stümpfen seiner Ohren.
Der narbige Krieger erlaubte sich, seine Gedanken schweifen zu lassen. Er würde bald einen richtigen Kampf brauchen. Er liebte es Macht über andere auszuüben, sie zu unterwerfen und körperlich zu brechen. Die Grafen und Könige bilden sich ein Macht über ihr Volk zu haben, doch hatten sie niemals eine ebenbürtige Macht wie Wotgar sie hatte wenn er seinen Arm tief in das Fleisch des Gegners bohrte.
In dem Moment in dem der Krieger das Licht in den Augen seines Opfers erlöschen sah war für ihn immer ein Zeichen der Herrschaft seines Fleisches über das seines Feindes. Ob Frauen, Kinder oder Männer, es war ihm gleich wenn er ihre Körper erst auf dem Altar seines Fleisches dem Herrn des Wandels entgegenbrachte.

Seine Gedanken schweiften zu Auge. Auch er liebte die Herrschaft über andere, doch mit einer Subtilität, für die Wotgar nicht viel Verständnis hatte, vernichtete er lieber ihre Essenz. Er erinnerte sich gut daran, wie es gewesen war als sie sich begegneten. Jung, fast zu jung. Wotgar wurde ausgestoßen von seinem Clan, weit nördlich sogar noch von Kieslev, wegen des Mals des Tzeentch.
Damals streunte er umher, fraß Aas oder was er sonst kriegen konnte. Eines Tages jedoch stieß er auf die Fährte eines anderen Menschen, und wie sich herausstellte war es ein Junge seines Alters, gekleidet in zerschlissenen Roben eines Novizen der Sigmarpriester.
Er hätte den Novizen fast getötet, hätte dieser sich nicht zu ihm gewandt und mit leeren Augen zu ihm gesprochen. An das was gesagt wurde konnte sich später keiner von ihnen erinnern, doch beide wussten, dass sie erwählt wurden.
Die Zeit danach erlebten sie viel und lernten noch mehr und doch ging jeder seinen eigenen Weg. Irgendwann begannen sie damit, Tiermenschen und Kultisten um sich zu scharen. So wurde auf kurz oder lang auch Hanner auf sie aufmerksam und sie schlossen sich seinem Heer an.

Als die Klaue des Tzeentch das Feuer erreichte machten ihm einige Kultisten Platz und ein geblendeter Sklave brachte ihm eine Schale mit starkem Gewürzwein.
In seiner einfachen Gedankenwelt spielte er durch, wie er mit den Aufrührern verfahren würde. Ihre lauteste Stimme stand direkt neben ihm und flüsterte den anderen seine Lügen zu.
Schnell strömten einige große Züge den Hals des Barbaren hinunter bevor er die Schale langsam absetzte, es schmeckte merkwürdig. Im Zucken eines Blitzes spiegelte sich sein Gesicht in der verbliebenen Flüssigkeit und scharfe Fangzähne glitzerten als es ihn angrinste.
„Nein!“ Er sprang auf und warf die Schale ins Feuer. Sein Blick ruckte von seiner blutigen, rechten Hand zu seiner Schulter. Er blutete und die Narbe zuckte. Die Adern unter der dünnen Haut färbten sich in ein bräunliches Gelb.
Es war zu spät. Knirschend brach einer der Knochen seines linken Armes. Fleisch und Haut platzten förmlich auf und hingen einen Moment, gespickt von Knochensplittern, in Fetzen schlaff hinab. Wotgar sank auf die Knie.
Ruckend riss etwas sein Körper wieder auf die Beine und der Schrei der aus seiner Kehle wich, war voller Schmerz jedoch nicht mehr auch nur ansatzweise menschlich. Das herabhängende Fleisch seines linken Armes vibrierte und begann sich zu winden wie Schlangen in einer Grube. Knoten bildeten sich aus dem blutenden Muskelfleisch und der zerfetzten Haut und Stacheln aus Knochen traten hervor. So nahm der Arm die Form einer grotesken Klinge an. Der Flüsterer zu seiner Rechten zog einen Dolch. Wäre er doch wie die anderen aus dem Weg gegangen. Denn Wotgars Rechte packte ihn an der Kehle und die Klinge aus Fleisch zuckte wieder und wieder in den Leib des Mannes, trat an seinem Rücken hervor, bis dessen Unterleib sich vom Rest löste und zuckend mit einem Klatschen in der Blutlache landete.

Ein Moment der Stille umgab diese eine, von vielen Feuerstellen des Kriegslagers. Gewaltsame Morde waren den Kreaturen hier nicht unbekannt, auch nicht den Barbaren mit ihren mutierenden Körpern.
Doch dieses Bild vor ihnen war unwirklich und beängstigend, es trieb einen kalten Dorn in ihre schwarzen Herzen.
Dann begannen die Schreie…

* * *
Gerade hatte Arkeph den schlaffen kleinen Körper in einer Ecke seines Lagers platziert als er der Aufregung außerhalb der Stoffbahnen gewahr wurde. Einige Flüche ausstoßend schloss er den schweren Eisenkragen um den Hals des Mädchens. Sein Lächeln wirkte für einen Moment fast zufrieden, als der Ring sich schloss.
Aber er konnte sich nicht leisten Zeit zu verschwenden und er musste herausfinden, was da draußen los war. Er atmete tief durch und trat nach draußen.

Wenige Schritte führten den Zeoloten in Richtung des Aufruhrs. Seine fließenden Bewegungen waren schnell jedoch nicht hektisch. Seine Augen waren auf den wütenden Berg aus Muskeln fixiert, der Wotgar war, während er aus einem der Täschchen an seinem Gürtel einige Pilze und Kräuter hervorholte um diese zwischen den blutbeschmierten Händen zu zerreiben.

Tiermenschen und Kultisten bildeten eine Schneise vor ihm. „Ihr verdreckten Narren…“ fluchte er ihnen entgegen.
Einige gemurmelten Worte, jedes ein Gebet an den großen Architekten, und seine Arme wurden von violetten Schemen umgeben. Diese zähflüssig wirkenden Schatten tropften hier und da in das platt getretene Gras, welches sogleich erstarb und toter Erde wich.

„Ishkarvel anoth Tzeentch,
Miskarr Yamug, miskarr Fanu, miskarr Terial!“
(Tzeentch, Herr des Wandels,
Verändere die unwürdigen, verändere diese Tiere, verändere die Welt!)

Arkeph erhob seine Stimme zu diesem Sprechgesang und trat näher an Wotgar, der mit dem Rücken zu ihm über einer zuckenden Kultistin hockte. Das knacken morscher Äste ertönte schmatzend aus dem Brustkob der Frau als der Nordmann diesen aufbrach.
Ein Tiermensch schrie kurz erschrocken auf als der Zeolot ihn packte und die unheilvolle Macht die heraufbeschworen wurde ihn durchströmte.

„Madifnetox haroth Tzeentch,
A`sarwo, miskarr Am.
Ledgash Am Mihag`te“
(Tzeentch, großer Architekt,
Ich Diene Dir, verändere mich.
Führe mich zur Macht.)

Das Fell der Kreatur wurde stumpf und grau, die Haut faltig und schlaff über den schwindenden Muskeln. Alles Leben, alle Jugend und Kraft wurde durch die Berührung des jungen Dieners des Tzeentch aus dem Tiermenschen herausgepresst.
Ein kräftiger Stoß und der Kadaver fiel Wotgar, der noch immer mit seinem Opfer beschäftigt war, entgegen.

Alle Sinne des Kriegers waren scharf, der Wind prickelte angenehm auf der Haut, das Fleisch und Blut in seinem Mund schmeckte so intensiv wie nie vorher. Auch die Bewegung eines Fremden in seine Reichweite entging ihm nicht und er war bereit, bereit es mit der Welt aufzunehmen und sich endlich zu holen was ihm gebührte.
Mit einer Eleganz welche ihm ob seiner massiven Gestalt nicht zugetraut worden wäre, wirbelte er herum und rammte seine Faust in die Magengegend des Angreifers, während sich die grausame Klinge seitlich gierig in das sehnige Fleisch fraß. Er musste grinsen.

In seiner verzerrten Wahrnehmung erkannte der große Krieger zu spät, das Auge neben ihm stand und die klauenbewährten Finger seiner rechten Hand in die wulstige Narbe an Wotgars Schulter rammte.
Der Mistkerl hatte ihn überrumpelt. Das schwächliche Püppchen hatte ihn schon wieder reingelegt. Blanker Hass keimte in ihm auf und wurde sogleich wieder erstickt. Klaue erkannte langsam dass diese Gedanken nicht die seinen waren und er konnte rauschend die Stimme an seiner Seite hören.

Schwitzend vor Anstrengung keuchte Auge: „Es ist nicht Deins… Wir haben es Dir genommen… Unterwerfe Dich der Macht des Wandels!“ Er hatte sich fest in die Schulter des Hünen gekrallt.
Der Lebenskraft des Tiermenschen musste er seine eigene beimengen um die Bannsprüche zu halten. Sie durften nicht brechen, schließlich gab es noch so viel zu tun und doch hatte er kaum Zeit für diesen Zwischenfall. Es verärgerte ihn.

Mit einem Grunzen ging der Krieger auf ein Knie nieder. Die Energie, welche seinen Arm verformt hatte, wich langsam und Knochen als auch Fleisch begannen sich auf befremdliche Art erneut zu formen. Einen Augenschlag später erhob sich Klaue und streckte, wie zur Probe, den Arm gen Himmel.
Mittlerweile hatte sich das Lager beruhigt. Die Krieger unter dem Banner dieser Truppen schlossen die Friedensknoten an ihren Waffen. Sie hatten das Spektakel fast schon genossen, eine angenehme Abwechslung.

Mit einer elegant anmutenden Handbewegung strich sich der junge Mann die Haare welche dort klebten aus seinem Gesicht, der Hauch eines Federraschelns war zu hören.
„Ihr Narren!“, rief er den Anwesenden entgegen, seinen Ritualdolch bereits gezogen und diesem mit ausgestrecktem Arm auf die Anwesenden gerichtet. Er war wütend, das war ihm anzusehen und das Gemurmel der anwesenden erhob sich langsam.
Seine Worte spuckte er ihnen förmlich entgegen. „Schweigt! Verdammter, undankbarer Abschaum! Ihr habt es heraufbeschworen, den Zorn des Tzeentch, unseres Herren!“

„Und jetzt seht mich nicht so an mit euren leeren Blicken. Im Namen unseres Herren marschiert ihr, lebt ihr und sterbt ihr.“ Erst leise dann immer lauter werdend begann Arkeph zu lachen. „Und jetzt versammelt euch unter den Bannern. Seid dankbar für die euch zugeteilten Aufgaben, mögen sie euch auch noch so klein erscheinen.“

Mit einer weit ausladenden Geste seiner Arme sprach er ernst und mit gesenkter Stimme weiter: „Es gibt keine unwichtigen Aufgaben im Namen unseres Meisters. Freut euch ob seiner Aufmerksamkeit die er euch schenkt. Feiert! Denn ich verspreche euch, am morgigen Tage werdet ihr großes beginnen!“

Innerlich aufatmend sah er, wie sich die Spannung zu lösen begann. Wotgar erging es ebenso, auch ihm war die Tragweite ihrer Aufgaben bewusst und brüllend riss er die Arme in die Luft.

„Tzeentch!“ Wie Donner hallte der Ruf über das Lager, wie eine Welle breitete sich der Ruf unheilverheißend über die Ebenen aus.

5.Spielfiguren

„Mein treuer Arkeph! Setze Dich. Es gibt etwas zu besprechen. Und was war da draußen los?“ ein breitest, fast dümmlich zu nennendes, Lächeln umspielte die Züge von Hanner Seidenstrick, dem Heerführer unter dem Banner der Blutfedern.
In seiner Prunkrüstung mit ihren aufgesetzten Goldfedern und dem Federkragen machte er in Arkephs Augen eher den Eindruck eines Geiers. Die übergroßen Augen, das zerfurchte Gesicht und die Gangart des Kriegers verstärkten diesen Eindruck noch weiter.
Widerwillig setzte sich der Zeolot an den Planugstisch jedoch nicht auf den, ihm angebotenen, Stuhl. Er konnte den Heerführer nicht ausstehen mit seiner selbstgefälligen Art und seinen stümperhaften Versuchen gerissen zu wirken. Nur nichts davon offensichtlich machen war hier die Devise denn Hanner war ebenso ungestüm wie er eingebildet war.

Leicht den Kopf seitlich legend und Hanner mit seinen grauen Augen fixierend wählte er seine Worte: „Ihr habt mich rufen lassen, wie könnte ich eure Einladung ablehnen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln. „Leider mussten wir einige subversive Elemente entfernen. Es gab anscheinend Personen, die nicht mit eurer feinfühligen Art der Führung einverstanden sind. Sie sind einfach eurem Verständnis der Wege des Wandels nicht ebenbürtig. Klaue und ich haben euch die leidige Aufgabe abgenommen sie angemessen zu strafen.“

Glucksend lachte der Heerführer und die Anhänger, Ketten und Talismane seiner Rüstung schepperten unharmonisch. „Schön schön. Ich bin froh, dir diese Aufgaben delegiert zu haben. Du kannst dich glücklich schätzen, mich deinen Herrn nennen zu dürfen. Du kannst noch viel von mir lernen. Aber wir haben noch etwas wichtiges zu klären. Bringt mir und meinem getreuen etwas Wein, ihr Abschaum!“ ,rief Hanner zwei zerlumpten Sklavinnen zu bevor er fortfuhr. „Es geht um meinen Plan. Wirst Du es schaffen, ihn zu rufen?“

Zwei Kelche wurden gebracht.
„Ich werde meinen Herrn nicht enttäuschen.“ Es war eine knappe Aussage von Arkeph und sie lies keinen Zweifel offen, es gab nichts zu hinterfragen.

„Das ist hervorragend! Das sollten wir feiern.“ Lachend hob der Kriegsherr seinen Kelch und zog sich eine der Sklavinnen mit einem anzüglichen Grinsen grob auf den Schoß.
Nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hatte fuhr seine dünne, schleimige Zunge zwischen den dünnen Lippen hervor und zog sich über den Hals der jungen Frau. Unter ihrem wilden, schmutzigblonden Haar blickte sie hilfesuchend den jungen Zeoloten an. Tiefe Angst und Verzweiflung spiegelte sich in ihren Augen, sie schien zu wissen was sie erwarten würde.
Auge nahm sich einen Moment den Blick zu genießen. Abscheu, mehr konnte er für die Kreatur nicht empfinden und das war schon zu viel. Nachdem er sich eine rebellische Haarsträhne aus dem Gesicht gepustet hatte, erhob er sich und verließ wortlos das Zelt.

Hanner nickte leicht. „Ja, mein Diener, Du darfst nun gehen.“ Doch Auge hörte ihn nicht mehr. Ebenso wenig wie das leise Flehen der Sklavin.

6. Gemetzel im Morgengrauen

Eisiger Nebel bedeckte den Boden. Jede Bewegung ließ Wirbel in den dichten Schwaden entstehen. Es roch nach kaltem Rauch, Erde und den Ausdünstungen der schwitzenden Leiber rings umher.
Hanner Stand auf einem kleinen Hügel. Gerade hatte er den letzten seiner Späher ausgeschickt. Nun hatte er einen Moment Zeit, die fleißige Geschäftigkeit seiner kleinen Armee zu bewundern.
In der Tat gingen all seine Pläne auf. Tzeentch würde stolz auf ihn sein und ihm endlich den Platz zuweisen, den er verdiente.
Sogar einen großen Dämon des Tzeentch hatte er durch seine Lakaien beschwören lassen, so fern ab der Chaoswüste. Es kostete zwar die Seelen einiger aber er war durchaus geneigt diesen Preis zu zahlen.

In der Ferne stiegen Rauchsäulen auf über der kleinen Stadt. Sie war nicht groß aber strategisch wertvoll. Und sie war so friedlich.
Alles was zwischen seinem Triumph stand war ein kümmerlicher Trupp aus einheimischen Lanzenträgern, sicher einfachen Bauern.
Es würde ein Schlachtfest werden.

Am Rande eines Wäldchens standen Klaue und Auge im Schatten der Bäume. Von dieser Stelle aus hatten sie einen guten Überblick über das Geschehen. Die Spannung in der Luft konnte man fast spüren. Endlich setzte sich das Heer der Blutfedern in Bewegung. Das laute Gejohle und Brüllen der wilden Horde hallte weit über die Felder hinweg.
Majestätisch erhob sich in ihrer Mitte der große Dämon des Tzeentch. Seine Schwingen warfen Schatten auf die Truppen und sein blick sog den Betrachter in die Tiefen des Chaos.
Wie ein Raubvogel beobachtete Arkeph das Geschehen. Die Truppen bewegten sich auf die letzten Meter schneller und an der Stelle an der sie aufeinandertrafen schoss roter Nebel in die Luft. Wotgar grunzte kurz, gerne würde auch er dort stehen, den Rausch der Schlacht erleben und das Blut auf seinem Körper spüren. Doch er wusste auch warum er nicht dort unten war.

Kurz darauf geschah, worauf der Zeolot gewartet hatte. Aus den hohen Kornfeldern blitzten Plänkler, bereit den Angreifern in die Flanken zu fallen. Auf den Zinnen erschienen Musketenschützen, ein imperialer Gardetrupp wie es schien.
Und Dröhnend, wie der Brunftruf eines Ogerriesen, ertönten die Kriegshörner. In der Ferne konnte Auge das Funkeln der morgendlichen Sonne auf den Schilden und Rüstungen der Reitertruppen sehen.

„Es ist Zeit…“ Aus einem Beutel zog er einen kleinen Metallspiegel. „Wind, verwehe…“
Kaum waren diese Worte gesprochen wurde die glänzende Oberfläche stumpf und schwarz wie die Nacht.
Ebenso verblasste der große Dämon des Tzeentch. Mehr hat es nicht bedurft um die angeschlagene Moral der Truppe zu brechen. Panik brach aus wie die Pest in einem Kinderheim. Die Truppen des Chaos wurden Stück um Stück dahingemetzelt. Die Reitertruppen des Imperiums nahmen Formation an und pflügten sich erbarmungslos durch das Fleisch der Ketzer.

Ein tiefes, kaltes Lachen drang aus Auges Kehle. Es waren Momente wie diese an denen es selbst Wotgar kalt werden ließ und er war auf gewisse Art froh dass der junge Zeolot nicht dazu neigte, viel zu lachen.

„Eine meiner besten Illusionen, fast zu schade.“ Er wand sich Wotgar zu, der sich wieder dem Gemetzel gewidmet hatte und sich die Lippen leckte.

„Sie werden alle sterben…“ Sprach der Barbar mit seiner Reibeisenstimme.

Auge nickte. „So ist es.“

Klaue wand sich Auge zu und sein Blick fixierte die grauen Augen des Mannes. „Ich mochte den Wein…“

„Ich auch, Klaue. Ich auch.“
Er deutete zum Wald. „Lass uns gehen, ich muss noch etwas abholen und dann müssen wir weiter.“

„Wir werden unseren Herrn nicht enttäuschen, Auge.“ ,nuschelte Klaue zu sich.

„Niemals…“ Hauchte Auge in den Wind.

Gemeinsam kehrten sie den Schreien und dem Sterben den Rücken um im Namen ihres Herrn sein Werk in die Welt zu tragen.